Rauhbein mit bunter Vergangenheit

Nachfolgend ein Artikel, den wir als Link auf unserer alten Website gelistet hatten. Ist jetzt leider verschwunden, hier also – zumindest textuell – rekonstruiert:

SPIEGEL ONLINE – 27. Februar 2001, 09:04
URL: http://www.spiegel.de/auto/werkstatt/0,1518,119867,00.html
Von Mathias Paulokat

Wer ein viertüriges Cabriolet sein Eigen nennt, muss nicht gleich Besitzer eines Rolls-Royce Silver Ghost sein. Auch ein Volkswagen kannte jene Vorzüge spendabler Offenheit. Ein nostalgisches Porträt des Kübelwagen Typ 181:

Der VW-Kübelwagen

Er läuft und läuft und läuft… Nein, die Rede ist ausnahmsweise nicht vom VW Käfer, sondern von seinem kantigen und raubeinigen Bruder, dem VW Kübelwagen. Auch in ihm schlug die luftgekühlte Boxermaschine, und er lieh sich auch sonst eine ganze Reihe Teile und Technik vom Käfer – Prinzip Baukasten. 

Doch ganz so wie einst die VW-Werbestrategen verkündeten, ist es nun doch nicht. Denn auf deutschen Straßen fahren kaum noch Kübelwagen umher. Wenn bei einem Kübelwagen noch etwas läuft, dann ist es meist rostrotes Regenwasser, welches durch die Persenning sickert, durch den Innenraum rinnt und sich seinen Weg durch die vergammelte Bodengruppe bahnt. Doch der Reihe nach, denn auch bei einer Autogeschichte sollte man nicht mit dem Ende anfangen.

Ein Auto existiert in Deutschland erst so richtig, wenn es vom Kraftfahrtbundesamt seinen Fahrzeugbrief erhalten hat. Der Fahrzeugbrief eines jeden Automobils ist dessen bürokratisierte Chronik. Auf speckigem Papier verewigt das Dokument in blassgrauer Schrift die Reihe der Eigentümer und deren jeweilige Duldsamkeit mit dem Fahrzeug. Bei anständigen Kübelwagen ist der erste Haltereintrag meist immer der gleiche: Zugeteilt wurde ein Y-Kennzeichen, und der Wagen rückte in die Bundeswehrkaserne zum Wehrdienst ein.

Dort trat das Vehikel Ende der sechziger Jahre tapfer die Nachfolge des zweitaktenden DKW-Munga an. Die Ingenieure aus Wolfsburg zeigten sich beim Generationswechsel allerdings nur wenig ideenreich. Für die Zukunft und einen etwaigen Verteidigungsfall des Bundes ließen sie sich von Altbewährtem aus Angriffskriegszeiten des Reiches leiten. Der deutsche Wehrmachtskübel hatte im Zweiten Weltkrieg schließlich seine unverwüstliche Tauglichkeit vielerorts unter traurigen Beweis gestellt. In der Rückschau eigentlich auch kein Wunder, zeichnete doch 1939 Meisterkonstrukteur Ferdinand Porsche höchstpersönlich für das Projekt Kampfkübel verantwortlich.

Altbekanntes Flakfeuer

Also kupferten die Wolfsburger fleißig bei sich selber ab: Auf einen Zentralrohrrahmen montierten sie wieder einmal hinten den unkaputtbaren Vierzylinder Boxermotor. Das Reserverad blieb vorne, wurde allerdings unter die Haube verlagert. Ebenfalls vorne pflanzten sie dem kantigen Kerl eine Standheizung ein, welche durch einen separaten Auspuff in den linken Radkasten zumeist lautstark entlüftet wurde; manch losbollernde und schnell verkorkste Heizung erinnerte dabei durchaus an altbekanntes Flakfeuer. Motor, Getriebe, Kupplung, Lenkung, Tank, Instrumentierung und einige Anbauteile übernahmen die Ingenieure eins zu eins vom Käfer. Verbaut wurde, was passte. 

Das sparte Entwicklungskosten – wahrscheinlich gab es beim Kübelwagen auch deshalb kaum Neuerungen oder Sonderausstattungen. Vom Allradantrieb ließen die Macher lieber gleich die Finger. Das aber hatte zudem andere Gründe: Man war schlicht noch nicht so weit. Während andernorts Menschen zur Mondmission starteten, war für Volkswagen ein Auto mit vier angetriebenen Rädern allenfalls sphärisches Zukunftsrauschen. Stattdessen stellten die Ingenieure ihren Kübelremake, den sie hausintern harmlos „Kurierwagen“ nannten, auf 165er Schmalspurreifen mit Stollenprofil. Fürs Durchkommen sollte auch das 44-PS-Aggregat sorgen, doch das war vor allen Dingen nur eines: laut.

Beim Bund nahmen die Soldaten ihr neues Vehikel sogleich stramm zur Brust. Die magere Motorleistung verlangte eine permanente Liaison des Gaspedals mit dem Bodenblech – man hätte es eigentlich auch gleich dort unten fest schweißen können; dort unten, wo Schwitz- und Regenwasser sehr schnell in schlierigen Lachen kleine Feuchtbiotope begründeten. 

Wahrscheinlich war genau das der Grund, warum keiner in dem muffigen, dunklen Fußraum einmal entstandene Rostlöcher zuschweißen wollte. Die Manöverbrühe musste ja irgendwo wieder raus. Es lässt sich nicht bestreiten: Die Geschichte des Kübelwagens ist auch eine Geschichte des Rostes. Tatsächlich dürfte sich manch wissbegieriger Studiendirektor der Chemie an den Oxidationsprozessen des Kübelwagens in hohem Maße erfreuen.

Zielobjekte auf Truppenübungsplätze
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Wenn beim Bund etwas gemacht wurde, dann nur das Nötigste: Beulen wurden mit dem Bordhammer rausgeschlagen, etwaige Durchschusslöcher und Unfallspuren mit Blechplacken zugepoppt und danach lieblos mit Einheitsoliv bepinselt. Schön war das nicht. Viele der über 15.000 BW-Kübel quittierten so der Reihe nach den Dienst. Immerhin hatten einige noch die Ehre als Zielobjekte auf Truppenübungsplätzen herzuhalten. 

Diejenigen Fahrzeuge, die irgendwie in die Freiheit gelangten, wurden mittels neuer Farbe der zivilen Verwendung zugeführt. Blau lackierte Kübel stellte sich der THW in die Remisen, in Rot rückte die Feuerwehr mit ihm aus, in Altweiß erbarmten sich Rotkreuz, ASB und andere Paritätsverbände seiner und auch manch jagender Weidmann hatte es auf ihn abgesehen. 

Dabei hatte der Kübelwagen von Anfang an auch ein Leben neben der Bundeswehr. Schon im ersten Modelljahr 1969 konnten Privatleute einen Kübelwagen für 8500 Mark erwerben. Das war seinerzeit unverschämt teuer. Nur wenige Enthusiasten erwärmten sich in Deutschland daher für den Naturburschen.

In der neuen Welt sah das ganz anders aus. Seit 1972 lief der Kübel auch in Mexiko vom Band. Weil man ihn aber nicht als Ahnen des Wehrmachtskübels vermarkten wollten, nannte man ihn fortan unverdächtig „Acapulco“ oder gar „Beach“, was durch hübschbunte Sitzbezüge, Chromzierrat und mit einigen Zusatzblechen auch optisch zum Ausdruck kommen sollte. 

Ruf als Funcar

In Amerika hieß der VW Typ 181 aber nur „The thing“, was landläufig als schieres Ding der Unmöglichkeit ausgelegt wurde. Markantes Erkennungsmerkmal waren die „Elefantenfußstümpfe“ – große Rückleuchten vom 1303er Käfer, deren runde Formen wie Geschwülste aus der eckigen Karosse hervorwuchsen. Dennoch, die Amis kauften den Kübel. Und von dort eilte sein Ruf als Funcar wieder zurück nach Deutschland. Mit weggeklapptem Verdeck, umgelegter Frontscheibe und ausgehängten Türen mauserte sich der Kübel tatsächlich hier zu Lande zum ulkigen Spaßmobil. Gebrauchte Kübelwagen waren begehrte Gefährte der Hippie-Generation. Besser erhaltene Exemplare erhielten sogar höhere Weihen als Dünenhopper und Strandbuggy auf Sylt und anderen Nordseeinseln, zumindest so lange, bis sein ärgster Feind, der Rost, angriff.

Solange er aber läuft, kann der Eigentümer eines Kübelwagens auch heute noch mit Fug, Recht und Verweis auf den Fahrzeugbrief behaupten, dass er ein viertüriges Cabrio fährt. Ein Luxus, der nur sehr wenigen Autofahrern vorbehalten ist – man braucht ja nicht weiter ins Detail zu gehen.

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